Kultusminister Spaenle zeichnet in Regierungserklärung Schwerpunkte der Bildungspolitik - Qualität und Gerechtigkeit bestimmen den bayerischen Weg, das differenzierte Schulwesen weiterzuentwickeln
MÜNCHEN. „Das Bildungsland Bayern sichert unseren jungen Menschen im Freistaat einen sehr guten Start in Gesellschaft und Beruf.“ Dieses Fazit zog heute Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle in seiner Regierungserklärung im Bayerischen Landtag. Dabei bezog er sich auf die guten beruflichen Perspektiven für die Jugendlichen im Freistaat mit einer sehr niedrigen Arbeitslosenquote in Deutschland und auf aktuelle Bildungsstudien. Im Deutschen Lernatlas hatte die Bertelsmann Stiftung Bayern in Stadt und Land als Top-Bildungsstandort auf Platz 1 gesetzt. Bei nationalen Vergleichsstudien hatten die bayerischen Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen 2009 Platz 1 belegt, bei den Länderauswertungen zu PISA waren sie in fast allen Kompetenzbereichen auf dem 1. Platz.
Zu Bayerns Weg gehört für den Kultusminister auch, Schwierigkeiten zu benennen und Herausforderungen aktiv anzugehen. „Klarheit und Wahrheit“ ist für ihn ein Bestandteil des bayerischen Weges.
Bayern denkt die Schule vom Kind aus
Bei der Gestaltung des Bildungswesens ist für den Minister klar: „In Bayern denken wir die Schule vom einzelnen Kind aus.“ Dieses Anliegen nimmt der Minister in vielerlei Hinsicht sehr ernst. Das bedeutet:
1. Passgenaue Angebote für die Interessen und Talente der jungen Menschen in einem differenzierten Schulwesen mit unterschiedlichen Schularten. „Wir wollen keine Einheitsschule für alle! Wir wollen den individuellen Bildungserfolg für jede Schülerin und jeden Schüler.“ Nur so können sich Kinder und Jugendliche optimal entfalten. Er fügte an: „Jede Schulart bietet ein unverwechselbares Angebot, das auf die unterschiedlichen Begabungen unserer jungen Leute zugeschnitten ist.“ Eigens nannte der Minister z.B.
* die Berufsorientierung der Mittelschule,
* den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis, den die Realschule leistet,
* den stärker auf die Berufspraxis ausgerichteten eigenständigen Weg zur Hochschule über die Berufliche Oberschule und
* das Gymnasium als durchgehend konzipierten Weg zum Abitur.
2. Individuelle Lernzeit. „Jedes Kind soll die Lernzeit in Anspruch nehmen, die es benötigt, um den angestrebten Abschluss zu erreichen“, so der Minister. Und er verwies dabei
* auf die Flexible Grundschule, deren Eingangsstufe Kinder in ein, zwei oder drei Jahren durchlaufen können.
* auf die Einführungs- und Vorklassen, die Schülerinnen und
Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss besuchen können, um danach in die Oberstufe des Gymnasiums bzw. bei den Vorklassen auf die Fach- und Berufsoberschule überzuwechseln.
* auf Überlegungen einer individuellen Lernzeit für Schüler des Gymnasiums in der Mittelstufe, etwa ein Intensivierungsjahr in der 8. bis 10. Jahrgangsstufe. Im Schuljahr 2012/2013 werden entsprechende Modelle an einzelnen Gymnasien erprobt.
3. Gleiche Lebensbedingungen der Menschen in der Stadt und auf dem Land. Dazu sichert das Bildungswesen in Bayern für alle Schüler in ganz Bayern alle Abschlüsse und darauf aufbauend einen Anschluss. „Bayern sichert die gleichmäßige Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit Schulangeboten in Stadt und Land“, so der Minister. Angesichts der schwierigen demographischen Entwicklung etwa garantiere der Freistaat, selbst kleine eigenständige Grundschulen mit nur 26 Schülern zu erhalten. Auf der Basis des Mittelschulverbundes will der Freistaat auch möglichst viele kleine Mittelschulstandorte möglichst lange erhalten - als wohnortnahes Schulangebot. Durch die Neugründung von 16 Realschulen und 12 Gymnasien seit 2008 wird das Bildungsangebot auch für Menschen auf dem Land abgerundet.
4. Hohe Qualität der Ausbildung der jungen Menschen. Beim Bildungsmonitor 2011 war Bayerns Schulen die beste Unterrichtsqualität bescheinigt worden. Diese ist für den Minister entscheidend. Deshalb hat er wenig Verständnis für bildungsideologische Systemdebatten. „Die Debatte um die Einheitsschule hilft unseren Schülern nicht. Das differenzierte und durchlässige bayerische Schulwesen aber steht für eine hochqualifizierte Ausbildung“, so Dr. Spaenle. Gerade die Berufliche Oberschule diene der Bildungsgerechtigkeit.
Um diese hohe Qualität an Schule und Unterricht zu sichern, investiert Bayern viel Geld, das aber sehr sinnvoll angelegt sei. Der Haushalt für das Kultusministerium war in den vergangenen 10 Jahren um rund ein Viertel auf nun knapp 10 Milliarden Euro angehoben worden. Die Anzahl der Lehrerstellen wurde seit 2008 deutlich vermehrt: Allein zum Schuljahr 2012/2013 stellt der Freistaat 2082 Lehrerstellen zusätzlich zur Verfügung. Und das Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schülern sei seit 1946 mit 1:16,4 nie so günstig gewesen wie heute. „Wir haben die Koalitionsvereinbarung gehalten und in jedem Jahr mehr als 1.000 Lehrerstellen für zusätzliche Aufgaben anstellen können“, so der Minister. Die Anzahl der erteilten Unterrichtsstunden stieg seit 2008 deutlich an - bei sinkender Schülerzahl.
Mobile Reserve wird deutlich aufgestockt
Um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, stellt das Kultusministerium allein über den Nachtragshaushalt für das neue Schuljahr 460 der insgesamt 1082 zusätzlichen Stellen dazu bereit, dass sie als Mobile Reserve an allen Schularten eingesetzt werden. Sie verstärken dort die rund 2.400 Lehrkräfte der mobilen Reserven an den Grund-, Mittel-/Haupt- und Förderschulen und die 110 an Gymnasien, aber sie werden auch erstmals an Realschulen (110) und Beruflichen Oberschulen (50) im Vertretungsfall eingesetzt.
Bildungschancen mit den Menschen vor Ort verbessern
Um die Bildungsangebote weiter zu optimieren und die Startchancen der jungen Leute zu verbessern, führt Minister Spaenle den Dialog mit Schulfamilien und Kommunen. Als Instrument hat sich das Dialogforum bewährt, bei dem sich Schulfamilien, Kommunen und Vertreter aus Gesellschaft und Wirtschaft an der Gestaltung des Mittelschulnetzes in Bayern beteiligt hatten. Im Mai hatte Dr. Spaenle Kommunen und Einrichtungen, die sich der Erziehung und Bildung zuwenden, mit den Schulfamilien gebeten, in Stadt- und Landkreisen Bildungsregionen zu bilden.
Der Minister bindet die Menschen, die am Bildungsprozess mitwirken, in Entscheidungen und Verantwortung ein. Dies gilt auch für die einzelne Schule. Ab 2013 will er durch ein Gesetz den Schulfamilien mehr Verantwortung übertragen.
Bayern geht Herausforderungen an
Bei allen Erfolgen hat Bayern vielfältige Herausforderungen zu bewältigen. „Klarheit und Wahrheit“ heißt die Devise des Ministers. In Deutschland und in Bayern habe die soziale Herkunft der Schüler noch einen „zu großen“ Einfluss auf den individuellen Bildungsweg. „Wir müssen sicherstellen, dass jeder junge Mensch entsprechend seiner Begabung den passenden Bildungsweg absolvieren kann.“ Deshalb gestaltet er das Bildungswesen durchlässiger. Die Lehrkräfte bieten als „pädagogische Schulweghelfer“ ihre Hilfe an.
Der Minister interpretierte auch die demographische Entwicklung, die Integration von Zuwandererfamilien und die Schaffung gleicher Bildungschancen für Menschen mit Behinderung als Herausforderungen. Mit einem systematischen Integrationskonzept und umfassenden Sprachförderangeboten unterstütze das Bildungsland Bayern Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund dabei, in Bayern ihre Heimat zu finden. 200 Planstellen investiert der Freistaat ab dem kommenden Schuljahr für pädagogische Arbeit vor allem an Schulen in Großstädten, bei denen besondere Anforderungen zu bewältigen sind. Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit besonderem Förderbedarf gehe Bayern auf dem Weg der „Inklusion durch Kooperation“ von Regelschulen und Förderschulen an. Als faire Partner sammelten Freistaat und Kommunen hier wichtige Erfahrungen in der Umsetzung eines inklusiven Unterrichts in der Praxis. Im Doppelhaushalt 2011/2012 waren für den Einstieg allein 200 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung gestellt worden.
Ganztagsschulen werden konsequent ausgebaut
Mit mehr individueller Förderung, z. B. dem konsequenten Ausbau der Ganztagsangebote, will der Minister die Teilhabechancen für alle Kinder - unabhängig vom Elternhaus - erhöhen. Für das kommende Schuljahr hat die Staatsregierung Mittel bereit gestellt, so dass z.B. an etwa 90 Prozent der weiterführenden Schulen Ganztagsangebote für die Schülerinnen und Schüler eingerichtet werden können. Bereits positiv entschieden hat der Freistaat für das neue Schuljahr die Anträge zum Aufbau von zusätzlich über 150 gebundenen Ganztagszügen. Darüber hinaus können bei entsprechender Nachfrage 600 offene Ganztagsgruppen und 600 Gruppen der verlängerten Mittagsbetreuung zusätzlich zu den bestehenden Gruppen eingerichtet werden. „Ich möchte den Eltern die Wahlfreiheit belassen, ob ihre Kinder eine Halb- oder Ganztagsschule besuchen“, so der Minister.
Seinen besonderen Dank übermittelte der Minister den Schulfamilien mit Lehrkräften, Schülerschaft und Eltern, den Sachaufwandsträgern und den Partnern im Bildungs- und Erziehungsprozess. Im Rahmen der Dienstrechtsreform sei es gelungen, über 8.000 besonders engagierten Lehrkräften zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten anzubieten.
Dr. Ludwig Unger Tel. 0173-8632709
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