Ministerrat beschließt neues bayerisches Energiekonzept / Seehofer, Zeil und Söder: „Kabinettsbeschluss markiert Aufbruch Bayerns in Zeitalter der erneuerbaren Energien / Energieversorgung im Freistaat wird sicher, bezahlbar und umweltfreundlich sein / Bayerisches Konzept wird zum Modell für Energiewende in Deutschland“
Der Ministerrat hat das neue bayerische Energiekonzept „Energie innovativ“ beschlossen. Für Ministerpräsident Horst Seehofer, Wirtschaftsminister Martin Zeil und Umweltminister Markus Söder markiert dieser Kabinettsbeschluss den Aufbruch Bayerns in ein neues Energiezeitalter, das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Die Energieversorgung im Freistaat werde sicher, bezahlbar und umweltfreundlich sein und so zum Modell für die Energiewende in Deutschland werden.
Das Kabinett habe, so Seehofer, das Konzept intensiv diskutiert und stimme in allen Kernzielen vollkommen überein: „Wir wollen die Kernenergie so schnell wie möglich hinter uns lassen, ohne die sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung zu vernachlässigen. Wir wollen gewährleisten, dass Bayern Produktionsstandort für Energie bleibt und wir streben bei der Energiewende die Technologieführerschaft Bayerns in Wissenschaft und Wirtschaft an.“
Zur Umsetzung dieser Kernziele verwies Seehofer auf fünf Handlungsschwerpunkte:
„Wir wollen erstens die erneuerbaren Energien deutlich schneller ausbauen und eine Verdopplung innerhalb der nächsten zehn Jahre erreichen. Wir werden zweitens alles unterstützen, was dem dringend notwendigen Ausbau der Energienetze dient. Dazu gehören auch die Überlegungen auf Bundesebene zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren. Wir wollen drittens deutliche CO2 Einsparungen im Gebäudesektor, Industrie und Gewerbe und sind uns bewusst, dass dazu zusätzliche Anstrengungen notwendig sind, auch was die notwendigen Instrumente und Förderungen anbelangt. Wir wollen viertens den Ausbau der Erdgasinfrastruktur in Bayern mit einem Zubaupotential von etwa 4 000 Megawatt. Verstärkte Anstrengungen bei der CO2 Einsparung sind auch deshalb besonders wichtig, weil wir nach dem Bau neuer Gaskraftwerke unsere Klimaziele weiterhin erreichen wollen. Wir wollen fünftens Gas geben bei der Erforschung neuer Energietechnologien, insbesondere der Speichertechnologie."
Zum Kostenrahmen betonte Seehofer, dass das bundesweit notwendige Investitionsvolumen von 200 Milliarden Euro zum Umbau der Energieversorgung – größtenteils Investitionsmittel aus dem privaten Sektor - in den nächsten zehn Jahren bereits im Energiekonzept der Bundesregierung aus dem letzten Herbst enthalten war. Seehofer: „Dieses Volumen ist nach wie vor realisierbar.“ Der Ministerpräsident ließ keinen Zweifel daran, dass bei der Energiewende die Bezahlbarkeit für Verbraucher und Wirtschaft ein zentraler Faktor sein wird. „Wir wollen Wettbewerb im Energiesektor stärken, denn Wettbewerb wirkt preisdämpfend. Außerdem werde ich mich bei den Verhandlungen auf Bundesebene dafür stark machen, die Brennelementesteuer wieder abzuschaffen. Nach den Berechnungen des Bundes hat allein diese Steuer einen Effekt von ca. 1,2 cent/kw. Wenn wir wollen, dass die Wirtschaft im Rahmen der Energiewende investiert, können wir sie nicht gleichzeitig mit dieser Steuer belasten,“ so Seehofer. Auch bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) müsse, so der Ministerpräsident, darauf geachtet werden, dass nicht ein unangemessener Druck auf die Energiepreise ausgelöst wird. „Und wir werden darauf achten, dass bei der Formulierung des EEG bayerische Interessen Berücksichtigung finden. Damit der Umstieg schnell gelingt, müssen die Potenziale der erneuerbaren Energien in allen Teilen Deutschlands ausgeschöpft werden. Deswegen dürfen bei der Windenergie nicht Off-Shore Anlagen unangemessen gefördert und Anlagen im Binnenland benachteiligt werden. Beim Biogas geht es auch um die Förderung kleinerer und mittlerer Anlagen, und wir brauchen weiterhin Sonderregelungen für energieintensive Unternehmen,“ so Seehofer.
Seehofer kündigte an, dass die Bayerische Staatsregierung noch im Juni einen bayerischen Energiegipfel einberufen wird, um die weitere Umsetzung des Energiekonzepts mit den Betroffenen und Beteiligten voran zu treiben.
Der Ministerpräsident machte deutlich, dass die Umsetzung der Energiewende erhebliche Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung erfordert: „Wir wollen den Weg zu einem hochmodernen Energieland gemeinsam mit den Menschen in Bayern, mit den Kommunen und der Wirtschaft gehen. Wir streben deshalb einen Gesellschaftsvertrag, ein breites Energiebündnis an. Wir brauchen gemeinsame Initiativen zum Energiesparen, Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen die Bereitschaft, in die Energiewende zu investieren und die erforderlichen Maßnahmen dazu auch zu akzeptieren – vom Netzausbau über den Ausbau von Windkraft und Solarenergie bis hin zu Pumpspeicherwerken."
Der Ministerpräsident bekräftigte, dass er bei den Verhandlungen auf Bundesebene im Interesse der Volkswirtschaft und der Verlässlichkeit und Planbarkeit eine Lösung im Konsens innerhalb der Koalition, aber auch über Parteigrenzen anstrebe, soweit die Kernziele der Energiewende: Sicherheit, Bezahlbarkeit und Klimafreundlichkeit gewahrt bleiben.
Der Ministerpräsident machte deutlich, dass bei aller Einigkeit in der Koalition zur Energiewende bei der Frage, wann das letzte bayerische Kernkraftwerk vom Netz gehen soll, noch kein Konsens innerhalb der Regierungskoalition erreicht werden konnte: „Wir wollen das letzte bayerische Kernkraftwerk spätestens 2022 vom Netz nehmen, unser Koalitionspartner bleibt dabei, dass das 2025 der Fall sein soll. Die Entscheidung über den endgültigen Ausstieg wird nun auf Bundesebene zu treffen sein.
Seehofer wies darauf hin, dass das Konzept eine entscheidende Weichenstellung für das Wachstumsland Bayern bedeutet: „Wir sind uns bewusst, dass wir am Anfang eines ehrgeizigen und schwierigen Weges stehen, den wir in dieser Dekade konsequent gehen werden, um den Ausstieg aus der Kernenergie und den Umstieg zu erneuerbaren Energien zum Vorteil für Bayern und seine Menschen zu gestalten. Wir sind entschlossen, den Technologieschub, der mit der Energiewende einhergeht, für einen neuen Technologievorsprung für unser Land zu nutzen. So entstehen neue zukunftssichere Arbeitsplätze im Wachstumssektor Energie- und Umwelttechnik.“
Auch Bayerns Energieminister Martin Zeil zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Was wir heute beschlossen haben, ist ein umfangreiches, fundiertes Konzept für Bayern, das eine Vielzahl konkreter Maßnahmen vorsieht. Wir wollen die Energieversorgung in Bayern so fortentwickeln, dass wir uns so schnell wie möglich, aber eben nicht schneller als möglich von der Kernenergie verabschieden und unsere Stromversorgung künftig weitgehend auf erneuerbare Energien und Gas stützen. Das bayerische Energiekonzept zeigt einen konkreten und realistischen Weg für einen beschleunigten Energie-Umstieg auf.“
Zeil erläuterte die Zielsetzungen des Konzepts: „Bayern soll auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien technologischer Trendsetter bleiben. Wir wollen das Land mit der höchsten Energieeffizienz und der umweltfreundlichsten Energieversorgung sein. Wir wollen so bald wie möglich aus der Kernenergie aussteigen, ohne dabei eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung zu vernachlässigen. Bayern muss Industriestandort bleiben. Als Wirtschaftsminister muss mein Augenmerk vor allem auch darauf besonders gerichtet sein, dass die Energiewende nicht zu Standortverlagerungen der stromintensiven Industrie und damit zum Verlust vieler Arbeitsplätze führt.“ In zehn Jahren soll die bayerische Stromversorgung zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. „Bayern muss seinen Strombedarf auch künftig aus eigener Erzeugung decken können und darf nicht auf Stromimporte angewiesen sein.“ Am Klimaziel, die energiebedingten CO2-Emissionen pro Kopf im Freistaat deutlich unter sechs Tonnen zu reduzieren, soll festgehalten werden, auch wenn das mit einem Energiemix ohne Kernenergie erheblich schwieriger werde, ergänzte der Minister.
Umweltminister Markus Söder unterstrich die Entschlossenheit, die Energiewende zügig voranzutreiben. „Unser ehrgeiziges Energieprogramm bietet die Chance, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden – eine Aussöhnung von Ökologie und Ökonomie“, betonte Söder. Zugleich könne damit eines der größten Konjunkturprogramme für Bayern und auch Deutschland auf dem Weg gebracht werden. Für die Energiewende brauche es, so Söder, auch ein klar fixiertes Datum. Nur dies schaffe Sicherheit für die notwendigen Investitionen in andere Energieträger. „Die Energiewende muss rasch und mit konkreten Zielen beschlossen werden. Es braucht Planungssicherheit, um entsprechende Investitionsanreize für die Wirtschaft zu setzen“, so Söder.
Für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) forderten Zeil und Söder zielgerichtete Veränderungen. So soll es wieder möglich sein, Photovoltaikanlagen in der Fläche zu verwirklichen - also etwa auf brach liegenden Wiesen. Ziel der Gesetzesnovelle muss es nach Zeil vor allem sein, dass sich die volatilen Energieträger Wind und Sonne stärker als bisher am Strombedarf orientieren und damit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Der Bund dürfe, so Söder, zudem nicht nur norddeutsche Großanlagen bei Wind und Biomasse bevorzugen, sondern müsse auch kleinere, dezentrale Einrichtungen fördern. Dies sei eine Grundvoraussetzung für die Energiewende. Es brauche zudem Anreize für die Bürger, in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien einzusteigen. Dies könne über Bürgerwind- und -solaranlagen geschehen. "Dazu brauchen wir einen breiten Energiedialog mit Bürgern und Kommunen", sagte Söder.
Das unter Federführung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums und unter Mitwirkung des Umweltministeriums und der Staatskanzlei erarbeitete Energiekonzept sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:
• Nutzung der Ausbaupotenziale bei den Erneuerbaren Energien in Bayern, unter anderem in der Wasserkraft und bei der Windenergie
• Bau neuer Gaskraftwerke als Ersatz für wegfallende Kernkraftwerke, um eine gesicherte, jederzeit verfügbare Leistung bereitstellen zu können
• Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke und Aufbau einer leistungsfähigen Speicherforschung in Bayern
• Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung in Bayern
• Beschleunigung der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude
• Zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren, wirksame Investitionsanreize und mehr öffentliche Akzeptanz beim notwendigen Netzausbau
• Schaffung von Anreizen, damit die volatilen erneuerbaren Energien besser in das Stromversorgungssystem integriert werden können, hier ist vor allem der Bund gefordert
• Forderung nach Wiedereinführung der Förderung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
• Stärkung der Bedeutung der erneuerbaren Energien in der Landesplanung
• Gründung der neuen Energieagentur ‚Energie Innovativ‘, die mit landesweiten Aktionen Energieeffizienz und erneuerbare Energien in Bayern voranbringt
• Abschluss eines ‚Energieeffizienz-Paktes Bayern‘ mit Wirtschaft, Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen
Der Umsetzungsstand des Konzepts wird alle zwei Jahre von der Energieagentur geprüft.
Die jeweils zuständigen Ministerien erhielten den Auftrag, die in bayerischer Zuständigkeit liegenden bzw. haushaltsrelevanten Maßnahmen und Vorhaben weiter zu konkretisieren, abzustimmen und in die Verhandlungen im Nachtragshaushalt einzubringen.
Das bayerische Energiekonzept „Energie innovativ“ ist im Internet unter www.bayern.de/energie einsehbar.