Deutschland an seine Verantwortung für Europäische Einheit erinnert
Polnischer Politiker und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa in München im Gespräch mit Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle
MÜNCHEN. An die Verantwortung Deutschlands für die Europäische Einheit hat am gestrigen Abend in München der ehemalige polnische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa erinnert. In einem Podiumsgespräch mit Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle bezeichnete er die Bundesrepublik Deutschland als "Motor für die Europäische Entwicklung".
Den Mitgliedsstaaten der EU empfahl er einen intensiven Dialog um einen Wertekonsens. Allein dieser werde sich als Grundlage für ein stabiles Europa erweisen, das auch künftig Sicherheit, Frieden, Freiheit und Wohlstand gewährleisten könne. Dazu müsse eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung treten, die nicht nur der Gewinnmaximierung, sondern auch der sozialen Verantwortung verpflichtet sei. Die Bürger Europas mahnte der Staatsmann und - nach eigenen Worten - "Revolutionär" dazu, nicht nur die Rechte wahrzunehmen, die ihnen die Demokratie verbriefe, sondern auch Pflichten zu übernehmen.
Lech Walesa erinnerte daran, dass es ohne den polnischen Papst Johannes Paul II. und den KPdSU-Chef Michael Gorbatschow den grundlegenden Wandel in Mittel- und Osteuropa nicht gegeben hätte. Noch knapp zehn Jahre vor dem Fall der Mauer, als 1980 die Gewerkschaft Solidarnosc die Streiks an der Danziger Lenin-Werft organisiert hat, hat nach Einschätzung des ehemaligen polnischen Staatschefs niemand an eine grundlegende Reform im sowjetischen Einflussbereich geglaubt. Es sei aber in den folgenden Jahren gelungen, die feste Hoffnung auf einen Wandel tief in der Bevölkerung seines Landes zu verankern.
Kultusminister Spaenle hatte den ehemaligen Staatspräsidenten Lech Walesa als eine Persönlichkeit gewürdigt, die mit seinem festen Glauben, seiner ausgeprägten Intelligenz, enormer Kraft und einem gerüttelt Maß an Humor erfolgreich die jüngste europäische Entwicklung und damit auch Weltgeschichte mitgestaltet habe. Lech Walesa gehört für den Historiker Dr. Spaenle wie auch für den Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Dr. Peter März in eine Reihe mit Persönlichkeiten wie Papst Johannes Paul II., Michael Gorbatschow und Helmut Kohl, die aus ihren unterschiedlichen Rollen und in verschiedener Weise die Weichen für den Zerfall des kommunistischen Regimes in Osteuropa und für den Aufbau demokratischer Gesellschaften dort gestellt haben.
Lech Walesa war der Einladung des Bayerischen Kultusministeriums und des Generalkonsulats der Republik Polen gefolgt. Am heutigen Vormittag diskutiert er mit Schülerinnen und Schülern des Wilhelms-Gymnasiums die jüngste Geschichte Polens.
Dr. Ludwig Unger
Pressesprecher