Fast alle Hauptschulen zu Mittelschulen entwickelt – Prognose der Schülerzahl erstmals positiv überschritten
MÜNCHEN. Nahezu alle, nämlich 928 der künftig 948 Hauptschulen, werden im neuen Schuljahr als Mittelschulen starten. Die Akzeptanz der Mittelschule ist hoch. Entsprechend hat sich die Wahl der weiterführenden Schulart durch Eltern und Schüler gewandelt. Diese beiden Tendenzen zur Entwicklung der Mittelschule zeichnete heute Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle vor Journalisten in München. Erstmals seit Jahren werde die Schülerprognose zugunsten der Mittel- und Hauptschule positiv nach oben durchbrochen.
Beide Tendenzen bestätigen für den Minister den Weg der Weiterentwicklung der Haupt- zur Mittelschule. Minister Spaenle in einer ersten Bilanz nach einem Jahr Mittelschule: "Die Mittelschule hat die Erwartungen, die wir in sie setzen, erfüllt. Sie fördert die Begabungen der Schülerinnen und Schüler sehr gut."
Berufliche Orientierung gestärkt
Bei der Mittelschule konnte das Alleinstellungsmerkmal einer intensiven beruflichen Orientierung für eine fundierte Ausbildung der jungen Menschen und die individuelle Förderung ausgebaut werden, so Minister Spaenle. An jeder Mittelschule können Schülerinnen und Schüler zwischen drei berufsorientierenden Zweigen wählen sowie Maßnahmen der vertieften beruflichen Orientierung besuchen. Bei diesen kooperieren die einzelnen Mittelschulen mit der Agentur für Arbeit – Beispiel für Zusammenarbeit zwischen Freistaat und Bund.
Jede Mittelschule bietet den Schülerinnen und Schülern Bildungsabschlüsse an, u.a. den Mittleren Bildungsabschluss. Erstmals schaffte in diesem Schuljahr ein höherer Anteil von Schülern, die in den Regelklassen der Jahrgangsstufen 6 bis 8 nicht den erforderlichen Durchschnitt zum Übertritt in den M-Zug erreicht hatten, durch Aufnahmeprüfungen den Übertritt.
Ein neuer Weg zum Mittleren Abschluss wird den Schülerinnen und Schülern nach dem Rosenheimer Modell 9+2 an sechs Standorten eröffnet.
Die Kernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch, Englisch und Mathematik, z.B. mittels der modularen Förderung, ist gestärkt worden. Zusätzliche Förderstunden in der 5. und 6. Jahrgangsstufe ermöglichen den Lehrkräften eine intensivere Unterstützung der Schüler. „Die Förderstunde in der 6. Jahrgangsstufe werden wir im neuen Schuljahr entsprechend dem Modell der Intensivierungsstunden teilen“, kündigte Minister Spaenle an.
An 408 Standorten von Haupt- und Mittelschulen bestehen gebundene Ganztagszüge. Darüber hinaus gibt es 1037 Gruppen offener Ganztagsangebote an Haupt- und Mittelschulen.
Prognose der Schülerzahl positiv nach oben durchbrochen
Die Mittelschule ist für Dr. Spaenle eine stabile Säule im differenzierten bayerischen Bildungswesen. Im laufenden Schuljahr besuchen rund 220.000 Schülerinnen und Schüler die Mittel- und Hauptschulen.
"Durch die Mittelschule haben wir den negativen Trend der Schülerentwicklung an den Hauptschulen gestoppt", richtete der Minister den Blick auf das kommende Schuljahr. Lag die tatsächliche Schülerzahl an den Hauptschulen in den vergangenen Jahren immer unterhalb derjenigen in den Schülerprognosen, so wird zum kommenden Schuljahr die tatsächliche Schülerzahl an den Mittelschulen erstmals über der prognostizierten von 208.900 liegen. Wie hoch das Plus an Schülerinnen und Schülern an Mittel- und Hauptschulen gegenüber der Prognose ausfällt, sei derzeit noch nicht hinreichend stabil messbar. Schließlich könnten Schülerinnen und Schüler aus der Jahrgangsstufe 5 mit dem Schuljahreszeugnis noch zur Realschule oder zum Gymnasium wechseln.
Möglichst viele Standorte erhalten
"Die Zahl der Schließung von Schulstandorten können wir mit den Mittelschulverbünden senken", so der Minister. Zu Ende des Schuljahres 2007/2008 waren noch 45 Hauptschulen geschlossen worden, mit Ablauf des Schuljahres 2010/2011 werden es gerade noch 12 sein. Grund dafür ist eine Neuregelung: Mittelschulverbünde erhalten ein Budget Lehrerwochenstunden, mit denen der Schulverbundkoordinator gemeinsam mit den Schulleitern flexibel Klassen bilden kann. Die bisher gültige Mindestanzahl von 15 Schülerinnen und Schülern pro Klasse wurde für die Mittelschulverbünde aufgehoben. Die Erfahrungen mit den Budgetstunden und die Arbeit der Verbundkoordinatoren finden nach einer online-Umfrage eine sehr große Akzeptanz.
In über 80 Dialogforen, die von Regierungen und Schulämtern in Landkreisen und kreisfreien Städten mit Vertretern aller beteiligten Gruppen und Institutionen durchgeführt wurden, ist die Einführung von Mittelschulen im Rahmen der Schulentwicklung beschlossen worden. Den Weg, betroffene Personen zu Beteiligten zu machen, will Dr. Spaenle weiter gehen. "Wir wollen mit den Menschen gemeinsam die Bildungslandschaft vor Ort gestalten und die Chancen der jungen Menschen verbessern", so der Minister.
Hauptschulen abschaffen als strategischer Fehler
"Es ist ein strategischer Fehler zu Lasten der jungen Menschen, wenn ein Land vom differenzierten Schulwesen Abstand nimmt und dabei das Aus der Hauptschule in Kauf nimmt", nahm Minister Spaenle in der Debatte über die mögliche Abschaffung der Hauptschulen eindeutig Stellung. Bayern entwickle das differenzierte Schulsystem zugunsten von mehr Qualität und Chancengerechtigkeit weiter. "Die Mittelschule hat als Regelschule mit einer intensiven Berufsorientierung darin ihren festen Platz", so der Minister.
Einer höheren Durchlässigkeit diene in Bayern die Zusammenarbeit von Schulen verschiedener Schularten. Im laufenden Schuljahr arbeiten an 17 Standorten Haupt-/Mittelschulen mit Realschulen eng zusammen; an 9 Standorten kooperieren Haupt- /Mittelschulen mit Wirtschaftsschulen. Auch andere Formen der Zusammenarbeit von Schulen verschiedener Schularten werden vor Ort ermöglicht, u. a. der gemeinsame Unterricht von Haupt- und Realschülern in einzelnen Fächern bei Erhalt der Schulart sowie im Modell 9+2 nach dem Arnstorfer Modell. Bei diesem besuchen Schüler des Regelzugs an den Hauptschulen mit bestandenem Qualifizierenden Hauptschulabschluss zwei weitere Schuljahre an der Partnerrealschule und erwerben dabei den Realschulabschluss.
Dr. Ludwig Unger,
Tel. 089-21862105