Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will den Rechtsextremismus noch intensiver bekämpfen. Bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2012 sagte Herrmann, seit Bekanntwerden der NSU-Mordserie trete die rechtsextremistische Neonaziszene zunehmend offensiv auf. "Teilweise strukturiert sich die Szene neu und geht auf Distanz zur NPD. Manchen Neonazis ist selbst die NPD nicht radikal genug." Herrmann sieht sich deshalb in seiner Strategie bestärkt, gerade einzelne gefährliche Neonazis noch schärfer ins Visier zu nehmen. Der bayerische Innenminister hat dazu bereits im März dieses Jahres eine eigene Organisationseinheit beim Landesamt für Verfassungsschutz geschaffen, die ihr besonderes Augenmerk auf den gewaltbereiten Rechtsextremismus richtet. Darüber hinaus hat Herrmann eine eigene Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium etabliert, insbesondere mit einem eigenen Referat, das sich mit Rechtsextremismus befasst.
Nachdrücklich setzt sich Herrmann für ein NPD-Verbot ein. "Der verfassungsfeindliche Charakter dieser Partei ist offensichtlich. Dennoch nimmt sie an der staatlichen Parteienfinanzierung teil. Das ist für mich unerträglich, zumal es der NPD dadurch gelungen ist, ihre Strukturen in den vergangenen Jahren auszubauen." Bayern leiste deshalb bestmögliche Zuarbeit für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren.
Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten hat sich in Bayern im ersten Halbjahr 2012 mit 23 auf dem Niveau der Vorjahre bewegt. "Der Freistaat hat hier – bezogen auf die Bevölkerungszahl – seit Jahren mit die niedrigsten Werte in Deutschland", so Herrmann.
Nach einem erheblichen Rückgang der linksextremistischen Gewalttaten im letzten Jahr weist die Tendenz mit 49 im ersten Halbjahr 2012 wieder nach oben. Gerade die Gewaltbereitschaft in autonomen Kreisen, die sich insbesondere auch gegen die Polizei richtet, gibt Herrmann Anlass zur Sorge. "Im März kam es sogar zu einem versuchten Tötungsdelikt. Ein Demonstrationsteilnehmer versuchte, mit einer angespitzten Fahnenstange zwei Polizisten gezielt in Hals und Kopf zu stechen."
Am meisten bedrohen nach den Worten Herrmanns nach wie vor islamistischer Extremismus und Terrorismus die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dies zeige aktuell das Verfahren gegen die so genannte Düsseldorfer Zelle, die im Auftrag der Al Qaida-Führung einen Terroranschlag in Deutschland geplant haben soll. Die Übergänge zwischen politischen Salafisten, die durch intensive Propagandatätigkeit auffallen, und den zur Gewaltanwendung bereiten Jihad Salafisten seien fließend. Trotz des kleinen Anteils der Jihad-Salafisten am islamistischen Spektrum bilde gerade der politische Salafismus bei bislang bekanntgewordenen terroristischen Planungen und Anschlägen den geistigen Nährboden. "Der Salafismus ist die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland", warnt Herrmann. Von den rund 3800 Anhängern, die deutschlandweit den Salafisten zuzurechnen sind, leben 450 in Bayern.
Als nicht so gewaltgeprägt wie in anderen Ländern bezeichnete Innenminister Herrmann die Situation in der Rockerszene in Bayern – auch wenn die Zahl der Rockerclubs und ihrer Mitglieder von 1200 im Jahr 2011 auf 1500 zugenommen hat. Herrmann: "Polizei und Verfassungsschutz arbeiten hier eng zusammen. Das Landesamt für Verfassungsschutz, das seit 1994 auch mit der Aufgabe der Beobachtung der Organisierten Kriminalität betraut ist, kann mit Strukturermittlungen in diesen durch Ehrenkodex abgeschotteten Gruppierungen wichtige Ermittlungsansätze liefern." Eine neue Arbeitsgruppe im Landesamt bearbeitet mögliche Verflechtungen zwischen Rockern und Rechtsextremisten.